Erklärung
zur Beendigung unserer Mitgliedschaft im Beirat von RUBIKON
Daniela Dahn, Rainer Mausfeld, Hans See und Jean Ziegler
Am 27. April 2021 haben wir unseren Austritt aus dem Beirat des RUBIKON erklärt. Unsere Gründe haben wir in einem offenen Brief an Jens Wernicke und an die Redaktion dargelegt und darum gebeten, diese im RUBIKON zu veröffentlichen. Da uns die angeführten Kritikpunkte von grundsätzlicher Bedeutung für ein alternatives Medium erscheinen und da unsere Kritik wohlwollend und solidarisch gehalten war, hatten wir mit unserer Bitte um Veröffentlichung die Hoffnung verbunden, dass es im RUBIKON zu einer konstruktiven Diskussion kommen könnte. Jens Wernicke ist jedoch dieser Bitte nicht nachgekommen. Im Gegenteil: Er hat unseren offenen Brief als „denunziatorisch“ bezeichnet und uns im Fall einer Veröffentlichung angedroht, juristisch dagegen vorzugehen. Um ihm einen solchen Eklat zu ersparen, wählen wir nun den Weg dieser Erklärung, die Gründe unseres Austritts darzulegen.
Zunächst möchten wir betonen, dass wir gerne die Idee und die Initiative von Jens Wernicke unterstützt haben, ein öffentliches Forum in Form eines „Magazins für die kritische Masse“ zu schaffen und dass wir auch weiterhin das Projekt eines emanzipatorischen Forums zur Sicherung einer kritischen Öffentlichkeit außerordentlich wichtig finden.
Dies zu betonen ist uns besonders wichtig angesichts der Tatsache, dass in der Corona-Krise wie auch bei allen anderen machtrelevanten Themen – der Feindbildaufbau gegen Russland ist ein weiteres aktuelles Beispiel – der Druck von Politik und Leitmedien auf alle Medien massiv verstärkt worden ist, sobald sie grundlegend andere Positionen als die Regierungsposition vertreten. Diese Entwicklungen zeigen besorgniserregende Züge von staatspolitischer Repression.
Der RUBIKON wie auch zahlreiche andere kritische emanzipatorische Medien haben die für einen pluralen demokratischen Diskurs wichtige Funktion, sich diesen Einschränkungen des öffentlichen Debattenraumes entgegenzustellen. Leider sehen wir jedoch eine solche Funktion durch einige Entwicklungen des RUBIKON sowohl inhaltlicher als auch editorialer Art gefährdet.
Inhaltlich besorgt uns, dass besonders bei dem ideologisch hoch umkämpften Corona-Thema unserer Ansicht nach RUBIKON selbst inzwischen eine Praxis der Verengung betreibt. Wir haben zunehmend den Eindruck gewonnen, dass Beiträge, die sich in den vertretenen Positionen nicht an die von der Redaktion gewünschte Linie halten, kaum noch veröffentlicht werden. Bei allen Verdiensten, die der RUBIKON und sein Buchverlag bei der Bereitstellung von relevanten Informationen zum Corona-Thema haben, hat eine solche Einseitigkeit mit dem Selbstanspruch zur „Demokratisierung der Meinungsbildung“ unseres Erachtens kaum mehr etwas zu tun. Der von uns wahrgenommene hohe Grad an Selektivität, eine nicht selten mangelnde analytische Sachlichkeit sowie schrille Töne in der Darstellung bergen nach unserer Überzeugung die Gefahr, dass aus dem RUBIKON selbst ein komplementäres Mainstream-Medium wird, das gleichsam mit umgekehrtem Vorzeichen die kritisierten Eigenschaften der Mainstream-Medien wiederholt.
Zugleich haben wir den Eindruck, dass wichtig gewesene Themen, bei denen es um kapitalistische Strukturen, Machtinteressen in Kriegen, kurz um eine Erhellung gesellschaftlicher Kausalitäten geht und viele andere drängende politische Problemfelder, die ja durch Corona eher größer geworden sind, in letzter Zeit zu wenig thematisiert wurden. Über all dies müsste ein kritischer solidarischer Austausch im RUBIKON erfolgen. Gerade in einer gesellschaftlichen Situation, in der der öffentliche Debattenraum durch Unterstellungen, Zerrbilder, Verfälschungen und Sprachakrobatik aggressiv aufgeladen ist, der öffentliche Diskurs also zunehmend verroht, ist es erforderlich, die demokratische Streitkultur auch und gerade durch innere Pressefreiheit zu verteidigen. Und es gehört dazu, dass wir fordern und selbst dafür streiten, die berechtigt strengen Maßstäbe „journalistischer Sorgfaltspflicht“ nicht nur an die unbotmäßigen Medien anzulegen, sondern ebenso an die regierungsnahen.
Was die editoriale Organisation des RUBIKON betrifft, so verstärkt sich seit längerem unser Eindruck einer Intransparenz der Entscheidungen des Herausgebers Jens Wernicke. Zudem erleben wir ihn in der Vermittlung seiner Entscheidungen als autoritär, so als billige er dem Beirat nur die Funktion eines Aushängeschildes und Werbeträgers zu. Eine sinnvollere Funktion des Beirates, die wir uns vorgestellt und gewünscht hätten, ist für uns daher nicht mehr erkennbar. Vielmehr können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass Jens Wernicke nicht nur Fragen der Organisation, Finanzierung und Redaktion, sondern auch inhaltliche Fragen am liebsten allein entscheidet.
Um nur das jüngste Beispiel zu nennen: Als Mitglieder des Beirats von RUBIKON hatten wir im April Jens Wernicke um Auskunft gebeten, wie die finanzrechtliche Struktur der von ihm geplanten und in seinem editorialen Beitrag ohne Rücksprache mit dem Beirat öffentlich gemachten, vage angedeuteten Stiftung „Libertas Publishing LLC“ aussieht. Immerhin sollen künftig die finanziellen Zuwendungen für RUBIKON in diese Stiftung fließen. Auch wollten wir wissen, worauf sich seine Hoffnung gründet, dass eine solche Konstruktion ausgerechnet in Lateinamerika vor staatlichen, er spricht von faschistischen, Ein- und Übergriffen aller Art geschützt sein würde. Transparenz in Finanz- und Satzungsfragen halten wir in einem sich als aufklärerisch verstehenden Projekt wie RUBIKON für selbstverständlich. Aber wir haben auf keine unserer Fragen eine befriedigende Antwort erhalten.
Wir hatten lange die Hoffnung, dass die von uns auch weiterhin unterstützte Projektidee eines breit angelegten emanzipatorischen Mediums mit der Projektrealisierung des Rubikons in Einklang zu bringen sei. Und wir hoffen auch weiterhin und wünschen dem RUBIKON, dass ihm dies gelingen wird. In seiner gegenwärtigen Organisationsform sehen wir jedoch für unsere Mitgliedschaft im Beirat keine Funktion mehr.